Freitag, 24. August 2007

Verpuppt

Gefangen in mir selbst

Der kleine Drängelengel hat mich gefragt, wie es mir geht...es lässt sich schwer beschreiben.

Neugeboren trifft es sehr genau.

Ich war in mir selbst gefangen. Eingesperrt in einem Körper, der nicht ich war...nicht ich ist...

Und doch habe ich mich so sehr mit ihm verbunden gehabt, dass es mir jetzt unglaublich schwer fällt wahrzunehmen, wer oder was ich heute geworden bin.

Nach einer Magenbypassoperation habe ich mittlerweile fast 30 Kilo abgenommen und bin meiner Krankenkasse und meinem Mann unendlich dankbar.

Es gab noch andere Menschen, die für mich da waren und mich immer bedingungslos geliebt haben - und glaubt mir, ich war oft nur ganz ganz wenig liebenswert.

Diese Momente waren oft dann, wenn ich es besonders gespürt habe - dieses Eingesperrtsein.

Adipositas bedeutet Fettsucht - für viele Menschen bedeutet es allerdings nur Verachtung, Verletzung, Ekel...dabei haben sie nichts verstanden.

Denn Adipositas bedeutet auch verachtet zu werden, verletzt zu werden, erniedrigt zu werden.

Adipositas ist ein Krankheitsbild, welches sich den Medizinern heute immer noch schwer verständlich präsentiert. Die Medizin kennt nicht deren Zweck, deren Ursache und deren Zusammenspiel zwischen, Physe, Psyche und Umwelt.

Ich hatte das unglaubliche Glück, dass mir geholfen worden ist. Der Weg dorthin war nicht leicht.

Wer glaubt, dass eine Operation der "leichtere" Weg ist, der irrt sich - eine Operation ist der letzte Weg. Medizinisch ausgedrückt nennt es sich ultimo Ratio. Die Chance während der Operation zu sterben beträgt 1 Prozent.

Viele Menschen glauben, dass ein übergewichtiger Mensch "die Wahl" hat - dass ein fettsüchtiger Mensch sich "nicht beherrschen" kann. Das ist falsch.

Adipositas ist eine Krankheit, die zum Tode führt.

Konventionelle Diäten und Abmagerungskuren bringen NACHGEWIESENER MASSEN nichts.

Ich persönlich hatte auch nie das Problem mit dem Abnehmen - das Problem lag im halten. Und dieses Halten funktioniert über einen Zeitraum von 5 Jahren bei nicht einmal 3 Prozent.

Trotzdem bestehen die Krankenkassen auf die Ausschöpfung konventioneller Methoden.

Als ich meinen Antrag auf die Magenbypassoperation gestellt hatte, wurde mir durch die Zahlen und Zeiten bewusst, dass sich mein ganzes Leben nur um das Thema Abnehmen und Diät gedreht hat.

Ich hatte Glück - die Krankenkasse genehmigte trotz Gegenempfehlung des MDK meine Magenbypassoperation...und selbst jetzt könnte ich weinen, so sehr bin ich meiner Sachbearbeiterin und deren Cheffin dankbar, dass bei ihnen das Herz und das Gefühl ihres Verstandes gegen die Zahlen des Budgets argumentiert haben.

Eine Magenbypassoperation kostet die Krankenkasse "nur" ca. 4.000 Euro. Als Selbstzahler (nach Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse) muss man ca. 6.800 Euro für diese Operation zahlen.

Ich habe erst sehr spät von dieser Art der Hilfe in schweren Fällen (BMI über 40) gehört.

Interessanter Weise durch die Bildzeitung Anfang diesen Jahres. Sie zeigten diese blonde junge Frau, die über 100 Kilo abgenommen hatte mit einem Magenband.

Das war wohl auch der Moment, in dem ich begriff, dass ich es nie allein schaffen würde. Keine Diät, kein Sport, kein Weightwatchers...

Ich war gewichtsmäßig auf dem Höhepunkt und Lebensqualitätstechnisch auf dem Tiefstpunkt angelangt.

Ich habe bewusst das Risiko gewählt, dass ich diese Operation nicht überleben könnte.

Vielleicht versteht jetzt einer von denen die auf Menschen wie mich mit dem Finger gezeigt haben, wie verzweifelt wir Übergewichtigen sind.

Jetzt sind seit der Operation 4 Monate vergangen. Es waren sehr schwere Monate. Aber ich habe mich an das Leben mit dem RNY-Bypass gewöhnt.

Ich genieße jede einzelne Mahlzeit und schaue oft ungläubig anderen Menschen beim Essen zu, was sich so eine "Normalportion" nennt.

Meine Mahlzeiten sind sehr klein. Aber dafür sind sie auch besonders ausgewählt. Wo ich früher oft gegessen habe, damit es eben gegessen ist, fliegt heute gnadenlos in den Mülleimer was mir nicht schmeckt.

Ich esse auch noch Schokolade - vielleicht 2 Stückchen am Tag. Mehr brauche ich nicht, mehr möchte ich nicht. Und vor allem glaube ich, dass dieses Schokoladenessen nur noch eine "Angewohnheit" ist.

Denn Essen schafft ja Befriedigung. Schokolade verschafft mir aber gar nichts mehr. Heute liebe ich interessanter Weise gedünstetes Gemüse.

Ich habe keinen Hunger mehr. Der Magen funktioniert nicht mehr als Hungermelder. Also muss ich an das Essen denken.

Aber ich esse dafür auch sehr regelmäßig. Es gibt Frühstück (sehr oft ein bisschen Obst mit Joghurt und Haferflocken), zum Mittag etwas, eine kleine Nachmittagsmahlzeit (meist etwas Süßes) und ein Abendbrot.

Die Mengen sind sehr unterschiedlich. Mittlerweile in etwa so viel wie in eine kleine Tasse passt. Aber das ist tagesunterschiedlich.

Ich wünsche mir, dass man viel mehr Menschen helfen würde, ihr Leben wieder lebenswert gestalten zu können.

Ich wünschte mir, dass Ärzte über die Genehmigung einer Adipositasoperation entscheiden, die wirklich eine Ahnung von der Thematik haben.

Ich wünsche mir, dass die Vorraussetzungen für eine Adipositasoperation überdacht werden und neu definiert.

Ich wünsche mir, dass es Ärzte gäbe, die sich Adipositasarzt nennen und kranke Menschen begleiten - auch auf dem herkömmlichen Weg einer Abnahme...die bereits 5 Kilo zu viel ernst nehmen und man nicht erst abwartet bis das Problem "groß" genug ist.

Ich wünsche weiterhin, dass man Medikamente mit falschen Versprechungen und furchtbaren Nebenwirkungen gegen Übergewicht vom Markt nimmt.

Ich wünsche mir mehr Menschen mit Verständnis gegenüber Übergewichtigen...vor allem verständige Ärzte.

Ich wünsche mir Psychologen, die über den Tellerrand schauen - eine Depression mit 100 Kilo Übergewicht lässt sich nun mal nicht wegreden...wohl aber bräuchten Adipöse einen Therapeuten, der mit ihnen den Weg der Abnahme geht.

Ich wünsche mir Mitmenschen, die auf andere Menschen zugehen die offensichtlich übergewichtig sind...und mit ihnen reden - ohne Wertung, ohne Zwang sondern mit Gefühl und Hoffnung.

Das sind viele Wünsche auf einmal - ich weiß...aber jede große Veränderung entstand durch eine Idee...oder vielleicht einen Wunsch.

Wer weitere Informationen zu diesem Thema haben möchte, kann mich gern unter damaris@mondkuss.de anschreiben.

Ich werde jetzt gespannt auf die Zeit sein, die für mich ein kleines Stückchen näher gekommen ist...und doch noch immer für mein Verständnis unerreichbar fern liegt - die Zeit, in der ich Normalgewichtig sein werde.

Bis dahin werde ich noch ca. 40 Kilo abnehmen - nächstes Jahr im April oder Mai kann es soweit sein.

Aber bis ich das alles wirklich wahrgenommen haben werde, wird viel mehr Zeit vergehen.

Alles Liebe Eure Damaris

April bis August

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